Twitch verkündet neue TabusSelbst der Gedanke an Nacktheit ist unerwünscht

Die Livestreaming-Plattform Twitch reguliert jetzt noch strenger, wie gründlich Menschen ihren Körper verhüllen müssen. Damit geht die Amazon-Tochter weit über gesetzliche Regelungen zum Jugendschutz hinaus. Streamer*innen müssen jetzt deutlich zeigen, dass sie wirklich etwas anhaben.

Weiblicher Körper, abstrakt dargestellt im Bauhaus-Stil
Twitch nennt neue Verbote zur Sichtbarkeit von Körperteilen (Symbolbild)

Twitch hat seine Kleiderordnung erneut verschärft. Genitalien und weiblich gelesene Nippel durften Streamer*innen schon vorher nicht nackt vor der Kamera zeigen. Die Regeln verlangen außerdem vollständigen Sichtschutz bei der Verhüllung von „Körperregionen, bei denen Verhüllung erforderlich ist“. Ab dem 3. Januar ist auf Twitch nun auch die bloße Andeutung verboten, dass man unbekleidet sein könnte.

Twitch schreibt hierzu auf Englisch: „Wir erlauben es nicht, dass Streamer*innen implizieren oder suggerieren, dass sie vollständig oder teilweise nackt sind, unter anderem, indem sie Brüste oder Genitalien mit Objekten oder schwarzen Balken verdecken.“

Damit dreht Twitch das Prinzip der bisherigen Regeln um. Aus dem Verbot von Nacktheit wird quasi eine Nachweispflicht von Bekleidung. Streamer*innen müssen also auch deutlich sichtbar vorweisen, dass sie ordnungsgemäß bekleidet sind. Allzu eng darf die Kleidung dabei nicht anliegen, denn auf Twitch gilt außerdem die Regel: „Wir erlauben keine sichtbaren Umrisse von Genitalien, auch wenn sie bedeckt sind.“ Wer gegen die Regeln verstößt, kann gesperrt werden.

Eine Playmobil-Figur
Twitch-Streamer*innen müssen sich wohl ein Vorbild an Playmobil-Figuren nehmen – bei ihnen zeichnen sich eindeutig keine Genitalien ab. - CC-BY-SA 3.0 Gebora; Museum Rotterdam

Die verschärften Regeln sind die neueste Eskalation in einem Ringen zwischen Twitch und einigen Streamer*innen, die sexy Inhalte zeigen. Die erfolgreichsten erreichen damit ein Millionenpublikum, immerhin ist Sexualität ein existentielles, menschliches Grundbedürfnis. Twitch hält allerdings dagegen und pocht aufs eigene Hausrecht. Immer wieder zieht die Plattform in den Nutzungsbedingungen weitere, rote Linien – immer wieder reagiert die Community auf kreative Weise. Teils entstehen dabei neue Genres der Online-Unterhaltung.

Die Richtlinien von Twitch hacken

So sind Hot-Tub-Streams zu einem populären Twitch-Genre geworden. Hierfür bauen Streamer*innen in ihrem Studio etwa ein Planschbecken auf und setzen sich im Bikini hinein. Der Grund: Eine der wenigen Ausnahmen fürs Zeigen von Haut auf Twitch ist Schwimmbekleidung – allerdings nur, wenn sich Streamer*innen auch in einer „Schwimmbecken- oder Strandumgebung“ aufhalten. Die Planschbecken im Wohnzimmer sind also nichts anderes als ein Hack der Richtlinien.

Auch die ausdrückliche Erwähnung „schwarzer Balken“ in den neuen Twitch-Regeln dürfte kein Zufall sein. Streamer*innen haben etwa ihre Brüste mit schwarzen Balken verdeckt und damit den Anschein erweckt, darunter nackt zu sein. Die Reaktion darauf ist das neue Verbot: Fortan ist es also nicht mehr erlaubt, beim Publikum nur den Gedanken an Nacktheit zu wecken. Darin wird ein weiteres, neues Prinzip erkennbar: Bisher hat Twitch reguliert, was Menschen auf Twitch sehen können; nun erstrecken sich die Regeln auch darauf, was sie sich dabei vorstellen.

Verbotene Regionen der weiblich gelesenen Brust

Auch die Definition von Tabuzonen bei der weiblich gelesenen Brust hat es Twitch schon seit Jahren angetan. Den Twitch-Regeln zufolge ist es zwar erlaubt, den oberen Teil der weiblich gelesenen Brust zu zeigen (Twitch: „Dekolletés sind nicht eingeschränkt“), verboten ist dagegen neben den Nippeln auch der untere Teil der Brust.

Als Reaktion darauf hat die Streamerin Twee schon im Jahr 2021 auf Twitter ein Schaubild veröffentlicht: Für ihre „Underboob Theory“ stellt Twee weiblich gelesene Brüste als zwei Kreise dar. Sie werden durch horizontale Linien mittig in zwei Hälften geteilt. Die jeweils unteren Kreishälften müssten demnach für Twitch als Tabuzonen gelten, die oberen nicht. Doch auch die genaue Form der Brüste und die Position der Nippel müsse beachtet werden, wie Twee zu bedenken gibt.

Das Schaubild von Twee ist natürlich als Satire zu verstehen. Sie soll die Absurdität des Regelwerks hervorheben. Es scheint, mit jeder Erweiterung verstrickt sich Twitch in neue Probleme. Um solche Probleme haben etwa Gesetzgeber*innen einen großen Bogen gemacht. Im deutschen Recht gibt es keine genauen Definitionen, welche Körperregionen auf welche Weise bedeckt sein müssen. Vielmehr entscheiden mehrere Faktoren und der Gesamteindruck darüber, ob ein Inhalt etwa als erotisch oder als pornografisch gilt. Auch diese Regelung hat allerdings ihre Probleme, wie eine netzpolitik.org-Recherche im Dezember zeigte.

Tabus statt sexuelle Bildung

Der Fall Twitch ist nur ein Beispiel für eine grundsätzliche Entwicklung im Netz. Vor allem große Plattformen führen zunehmend strengere Regeln rund um Nacktheit und Sexualität ein. Eine der bekanntesten ist der sogenannte Nippel-Bann auf Instagram – ein weitgehendes Verbot der Darstellung weiblich gelesener Nippel.

Bei dieser Entwicklung spielen mindestens zwei Faktoren eine wichtige Rolle. Der eine ist wirtschaftlich: Werbe-Kund*innen, die Nacktheit und Sexualität nicht in öffentlichen Medien sehen möchten, können auf werbefinanzierten Plattformen wie Instagram oder Twitch finanziellen Druck ausüben. Der andere Faktor ist ideologisch: Tabus rund um Nacktheit und Sexualität spielen in der Firmenpolitik vieler Konzerne eine wichtige Rolle, in den USA nicht zuletzt durch den Einfluss erz-religiös geprägter Ansichten.

Sexpositive Fachleute wie die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming oder die Porno-Produzentin und -Aktivistin Paulita Pappel warnen eindringlich davor, Sexualität und Nacktheit zunehmend mit Tabus zu belegen. Oeming schrieb uns hierzu etwa: „Ab welchem Erektionsgrad ein Penis nun jugendgefährdend wird, ist meines Erachtens nicht die Unterhaltung, die wir gerade dringend führen müssen.“ Statt Dinge zu verbieten, könnten Ressourcen deutlich effektiver in sexuelle Bildung investiert werden.

28 Ergänzungen

  1. Die brutale, photorealistische Massakrierung von Menschen ist aber in Ordnung. Es wird immer absurder.

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso es unbedingt im Westen so tabu ist. Wer chinesisch spricht (Taiwan), oder Japanisch und in diesem Kulturkreis unterwegs ist der wird schockiert sein. Da wird Sexualität tatsächlich nicht unterdrückt sondern akzeptiert und aufgeklärt. Stattdessen wird übertriebene Gewalt strenger reguliert.

    Ist das alles auf den Puritanismus zurückzuführen?

    1. Es ist Machtausübung in der ungebrochenen Tradition autoritärer christlicher Strukturen.

      Natürlich sind die konservativen von CDU und SPD ganz dafür, die Transatlantiker ohnehin.

    2. Das ist aber eine extrem gewagte Vereinfachung.

      Abgesehen von Taiwan und Japan ist Pornografie jeder Art auf dem gesamten asiatischen Kontinent illegal, in nicht wenigen Staaten sogar unter Androhung der Todesstrafe. Ein Konstrukt „der puritanische Westen gegen den Rest der Welt“ aufzubauen ist also schon mal falsch.

      Sowohl in Europa als auch Nordamerika sind unzensierte Erotikdarstellungen legal. Über Liebe und Sexualität wird vergleichsweise offen gesprochen, je nach Personenkreis. Frauen zeigen sich gern auch mal etwas freizügiger in der Öffentlichkeit, weil sie es können.

      Mit Taiwan kenne ich mich weniger aus, aber in Japan sind unzensierte Erotikdarstellungen bis heute gesetzlich verboten, was in Anbetracht der Vielzahl an Pornografie, die dort produziert wird (real und Manga/Anime), schizophren anmutet. Über Liebe und Sexualität wird nur selten öffentlich gesprochen. Den Leuten ist das eigene Sexleben peinlich. Frauen laufen selten leicht bekleidet in der Öffentlichkeit rum, weil es das gesellschaftliche Bild stören könnte und daher nicht gern gesehen ist. Dennoch ist sexuelle Belästigung ein riesiges, allgegenwärtiges Problem und wird nur extrem selten verfolgt, Opferschelte ist hier der Standard.

      Anstatt ordentliche Sexualaufklärung zu leisten, haben Schulen Regeln dafür, welche Frisuren die Schülerinnen tragen dürfen, wie lang der Rock der Schuluniform sein muss; es gab sogar mindestens einen Fall, in dem die Farbe der Unterwäsche vorgegeben war und (von einem männlichen Lehrer) kontrolliert wurde, bei Verstoß musste die Betroffene unbekleidet vor der Klasse stehen. Begründet wird das stets damit, dass das Aussehen der Schülerinnen nicht „anzüglich“ auf männliche Schüler wirken dürfe.

      Nur weil japanische Anime allzu gern mit oberflächlichem, kitschigem Etchi-Fanservice um sich werfen, ist Japan noch lange nicht eine freizügige, aufgeschlossene Gesellschaft.

      1. Das stimmt alles nicht ganz. Pornografie ist in Asien nahezu überall legal. Sie haben sich sicherlich eine der Grafiken angeschaut die zeigt es sei überall illegal (rot).

        Die Strafbarkeit bezieht sich fast ausschließlich auf die öffentliche Verbreitung. Der Konsum ist aber völlig legal – selbst in China. Erotik ist in China sehr häufig anzutreffen und wird legal verbreitet.

        Schaut man sich die gesetzliche Lage in Deutschland an dann ist es hier fast unmöglich Pornografie gewerblich zu verbreiten; da die Auflagen zu stark sind und fast keine bekannte Plattform die Auflagen erfüllt.

        Woran ich die Akzeptanz von Sexualität auch gerne Messe ist der Umgang mit Pädophilie und der ist insbesondere in China, Laos, Japan, Taiwan sehr liberal. Diese Aussage bezieht sich auf das Angebot und Toleranz von Produkten und fiktiven Inhalten.

        1. Nein, ich habe mir nicht bloß eine Wikipedia-Grafik angeschaut und daraus meine Schlüsse gezogen, sondern mich auch in die rechtliche Lage in den einzelnen Staaten eingelesen.

          In China ist entgegen Ihrer Aussagen nicht nur die Verbreitung strafbar, sondern auch die Produktion und der Besitz (und damit implizit auch die Beschaffung) von Pornografie. Selbiges gilt auch für die allermeisten anderen asiatischen Staaten. Dass Konsum selbst vielleicht nicht explizit kriminalisiert ist, liegt möglicherweise daran, dass er ohne eins von den drei genannten Dingen eher schwierig wird. Müßig zu erwähnen, dass diese Staaten, selbst Südkorea, zur Umsetzung umfangreich auf Netzsperren setzen.

          Damit erübrigt sich auch die Diskussion hinsichtlich der Einstellung dieser Staaten zu fiktiven pornografischen Darstellungen mit Kindern. Auch da gelten Ihre Aussagen lediglich für Japan und Taiwan; und ja, in dem Punkt sind diese Länder tatsächlich prinzipiell liberaler als der Westen (wobei auch in den USA z. B. gezeichnete Darstellungen nicht strafbar sind), wo so etwas auch ohne verfassungsrechtliche Grundlage auf rein moralischen (um nicht zu sagen: religiös-fundamentalistischen) Einstellungen beruhend kriminalisiert wird. Nichtsdestotrotz ist es lächerlich, allein daraus zu schließen, dass Japan und Taiwan generell rechtlich und vor allem gesellschaftlich liberaler und aufgeschlossener gegenüber sexuellen Inhalte und Handlungen seien (könnte man auch genau umgekehrt machen: „In Japan müssen Geschlechtsteile verpixelt sein, in Deutschland nicht, ergo ist Deutschland liberaler!“). Die gesellschaftlichen Realitäten spiegeln das nicht im geringsten wider.

          1. Ich habe lange in China gelebt und der Besitz ist völlig legal. Es gibt auch sehr viel Fetisch Material auf den großen Plattformen. Darf halt nur nicht „Porno“ sein.

            Keine Ahnung woher du deine Infos hast, aber westliche Medien als Quelle sind nicht immer die besten, wenn es um ein verschlossenes Land geht.

  2. „Burkapflicht“! Darauf läuft das doch hinaus.

    Doch HALT. Die Frau (der Mann?) könnte unter der Burka ja auch wieder Nackt sein.

    Wie halten Religiöse Fundamentalisten das eigentlich aus? Ständig umgeben von Voll verschleierten Frauen und keiner weiß was/ob die darunter tragen. Sollte der Zweck nicht genau umgekehrt sein?

    Falls es jemand wegen eines Schwarzen Balkens im Gehirn nicht mit bekam, dieser Beitrag ist Satire. :-)

    Wofür war dieses „Twitch“ noch mal gut, oder kann das jetzt wech?

  3. „Ab welchem Erektionsgrad ein Penis nun jugendgefährdend wird, ist meines Erachtens nicht die Unterhaltung, die wir gerade dringend führen müssen.“
    Das fasst diesen grausamen Artikel zusammen. Hat schon jemand versucht, den Kontext der neuen Regeln bei Twitch aufzulösen? Oder interessiert das bei Netzpolitik niemanden?
    Das Statement ist eine Umkehrung der Beweislast. Es geht hier nicht um den „Minderjährigen“ Zuschauer, sondern um die nackten und Erwachsenen Twitch-Streamer. Sex sales und unterscheidet nicht zwischen Kind und Erwachsenem.

    1. 1. Wo geht es dort um Sex?
      2. Warum sollte Nacktheit (bzw. deren Darstellung) Kindern schaden?
      3. Wenn Eltern das als problematisch ansehen, wieso lassen sie Kinder ohne Kontrolle Twitch nutzen?

      Persönlich ist mir das egal, ich nutze den Kram nicht. Sexualisierung aller Bereiche des Lebens ist nicht unbedingt sinnvoll, doch es bringt m.E. nichts, radikal zu handeln – sexualisierte Werbung überall einerseits, Prüderie unter dem Deckmantel des Kinderschutzes andererseits. Vielleicht sollten Eltern ihre Kinder mehr darüber aufklären, dass übertriebene Darstellung von Nacktheit nicht zum normalen Alltag gehört, sondern genau der erwähnten Monetarisierung dient?

  4. Noch schöner mit KI!
    Wollte nicht Facebook mal so quasi persönlich Hirnscanner an Menschen verteilen, für Cloud, und dein Geld, versteht sich. Man zähle mal 1 und 1 zusammen, ein bischen wie beim Weisungsprivileg und dem, was da noch kommen könnte…

  5. Mir ist aufgefallen das eine Ergänzung hier gelöscht wurde. Es hatte jetzt nicht wirklich was mit dem Artikel zu tun (ging um einen Beitrag der Tagesschau bzgl. KI).

    Wieso wurde der Beitrag freigegeben und warum gelöscht? Ich Bitte um Transparenz, denn andere unpassende Beiträge bspw. ein abwertender Kommentar ggü. Nancy Faeser steht bis heute.

  6. Also Twitch möchte als Streaminganbieter nicht, das auf seiner Plattform die Streamer ihren Content nur auf Sexualität und Erotik ausrichten. Die Streamer machen dies aber, weil die Zugriffszahlen bei Twitch höher sind, als bei anderen Erotikportalen wo man explizit seine Nippel und mehr zeigen darf. Somit steht hier Einkommen/Geld und Reichweichte der Streamer im Vordergrund, welche eine Plattform nutzen die eigentlich nicht zum Erotikanbieter werden will aber mit „Sex sells“ ein großes Publikum anziehen.

    Ich verstehe daher überhaupt nicht das Problem, weswegen Twitch so böse ist, wenn diese Angebote reduziert und eingestellt werden, die inhaltlich nichts anderes liefern als nackte Haut. Das ist doch genau was politisch seit Jahren gefordert wurde, wir sollen nicht auf Aussehen, Herkunft oder Geschlecht achten, sondern uns auf die Inhalte der Personen konzentrieren. Und wenn der einzige Inhalt Sexualität/Erotik ist, welcher auf der Plattform nicht gewünscht ist, dann entstehen wegen ein paar wenigen Streamern die es übertreiben, Regeln die alle betreffen und einschränken. Wie sonst auch in der Offline Welt, versauen wenige individuen die es übertreiben das Leben aller. Aber Twich ist böse, nicht die „Sex Sells“ Leute die Twitch Regeln „hacken“.

    1. Genau das ist der Punkt dabei.
      Die „Hot-Tub“-Streams und auch einige andere Streamingformate waren/sind m.M.n. schon grenzwertig für eine Plattform. Es gibt für alles einen Ort und wenn man sucht findet man schon das was man sucht, aber auf Twitch hat das nix zu suchen. Auch Nacktheit und Sexualität hat seinen Ort und ich kann mir auch vorstellen, dass ein Q and A oder AMA über bestimmte Themen auch Klicks bringt. Dafür muss ich aber nicht im Bikini in einem Pool sitzen. Die Schwierigkeit ist einfach, dass alle Kategorien sexualisiert werden. Kochstreams in denen sich die betreffenden Personen mit tiefen Dekolleté oder mit enger Yoga-Hose in die Kamera beugen, Kerle die aus jedem Handgriff und jedem Schublade schließen eine sexualisierte Handlung machen. Das muss nicht sein und das hat nichts mit Prüde oder etwas mit Tabus zu belegen zu tun. Ich persönlich brauche nicht überall wo ich hinschaue nackte Menschen (das würde mit genau so mit einer sexualisierten Werbung für Milch gehen, sollte diese z.B. in der Innenstadt hängen), gibt für alles einen Ort und eine Zeit.

      1. Mit Verlaub: Wer zwingt euch, diese Streams zu schauen? Wenn in (TV-)Werbung und Werbeplakaten im öffentlichen Raum immer mehr Themen und Produkte sexualisiert werden, interessiert es keine Sau – zumindest im öffentlichen Raum werde ich damit belästigt (im TV kann ich umschalten). Wieso sollte das nun bei irgendwelchen Streaming-Plattformen ein Problem sein?

      2. Wenn sexualisierung auf Twitch unerwünscht ist, wird es eben reduziert. Leider sind die Methoden nicht akkurat, und die Plattform damit keine allgemeine Informationsplattform mehr, falls sie es mal hatte werden wollen.

        Das andere mit „nicht mehr Inhalt als nackte Haut“ ist natürlich Unsinn, als wäre Inhalt irgendeiner Form ein Kriterium auf heutigen Massenplattformen.

        Die andere Frage ist allerdings, was eigentlich zuerst da war, und was die Begründung bzw. Berechtigung für Maßnahmen ist. Ist die Plattform also mit und zu deutlichem Maße dank erotischer Inhalte gewachsen, und wird jetzt plötzlich „sauber“, stellt sich natürlich schon die Frage, welche Inhaltssorten denn auf „erfolgreichen Plattformen“ überhaupt machbar sind. Dann kommt nämlich noch Politik, Hass, Hetze, Diskriminierung, usw. usf., und eine sachliche Unterhaltung ist nur noch mit Strohballen im Mund möglich.

        1. Zu bedenken, dass schon Diskussionen über Folgen von Gesetzen zensiert würden. Selbst wenn Videos noch nützliche Informationen enthalten könnten, wird die Diskussion darum vielleicht schon bald irrelevant sein. Dann ist’s ein Kochbuch mit farbigen Herzchen oder sowas.

          Würde man das ausschließlich den riesigen, vermeintlich demokratisiserten/enden/whatnot, Plattformen aufdrängen, wäre vielleicht Raum für ein heterogenes Fediverse (? oder wir man das nennt), wo z.b. Technikforen, Filmforen, Philosophieforen, Kriegsberichtsforen etc. pp. einander verlinken und suchbar machen. Vielleicht sogar, wo nötig, mit gemeinsamen altersverifizierten Schnittstellen, wie einer Seitenübergreifenden Suche. Kommerziell zu denken… unmöglich, im Moment.

  7. Konservative stehen halt auf Tabus anstatt auf Aufklärung.

    Gewalt war bei Konservativen noch nie ein Problem, aber – dank dem Christentum – ist Nacktheit (oder gar weibliche Brüste) was Urböses.

    Völliger Schwachsinn, aber HEY!

    Die Menschheit hat sich nicht wirklich entwickelt…vielleicht technisch, aber geistig noch im tiefsten Mittelalter.

  8. YouTube ist bereits seit ein paar Jahren tot. Es läuft eigentlich nur noch so nebenbei, sowohl für die Videoersteller als auch für die Zuschauer. Zu verdienen oder Neuigkeiten gibt es dort nicht mehr. Es ist jetzt durch-enshittificated.

    Twitch liegt jetzt auch im Sterben. Viele haben es noch nicht so ganz mitbekommen, aber fast alles auf der Plattform bewegt sich gerade rückwärts. Diese seltsamen Regeländerungen sind eine der letzten Gegenbewegungen, um die eigene Bedeutungslosigkeit aufzuhalten.

    YouTube hatte das exakt genauso probiert. Plötzlich wurden massenhaft Videos gesperrt. Selbst welche von vor vielen Jahren. „Endgültig gelöscht! Sind für immer verloren! Können wir nichts machen! Hat der Computer entschieden!“ Fast jedes Video über z.B. Cannabis verschwand.
    Und heute? Alles wieder da! Um den Bedeutungsverlust aufzuhalten, haben sie alles wiederhergestellt. Mit den alten Zuschauerzahlen, Kommentaren. Selbst die Markierungen, an welchen Stellen ich ein Video nicht weitergeschaut hatte, waren wieder da.

    Statt dem nachzutrauern, sollten wir uns den föderierten Plattformen zuwenden.

    Ich habe in letzter Zeit sowieso die Schnauze voll von den meisten Inhalten auf Twitch. Alles wurde in den gleichen Rahmen gepresst. Die Zuschauer wurden mit kostenlosen Inhalten angefixt und als sie abhängig waren, wurden die Preise hochgesetzt und die Daumenschrauben angedreht. Und jetzt ist man angepisst, dass die Junkies ihnen aufs Dach steigen und immer vor der Tür rumlungern. Tja Pech gehabt.

    Für uns bedeutet das leider Entzug oder zumindest Suchtverschiebung.

  9. Twitch zieht eigentlich bloß nach.

    Damit angefangen hatten doch schon vor Jahren die Bilder- und Gruppenforen von Yahoo und Tumblr, dann die sozialen Netzwerke, zuletzt gefolgt von der Werbeschleuder Pinterest, wo bei mir in letzter Zeit immer wieder Sperrmeldungen über Pins kommen, auf denen vollständig bekleidete Menschen in enger Kleidung abgebildet waren, bei denen man vielleicht, vielleicht auch nicht große Genitalien erahnen konnte oder die Brustwaren durch den Stoff zu erahnen waren. Teilweise ggf. zu Recht, meistens aber einfach nur verklemmt lächerlich und wenn ich bei Pinterest – nach erfolgter Androhung von der Sperre meines Kontos – Widerspruch eingelegt habe, wurden die Bilder fast in jedem Fall auch wieder freigegeben. Wohlgemerkt, das waren ja nicht einmal meine eigenen Inhalte, sondern lediglich Pins, die ich auf deren Seite meinen Pinnwänden hinzugefügt hatte und die dort größtenteils schon jahrelang unbeanstandet zu finden waren.

    Lediglich auf X ist noch Nacktheit zu sehen, aber auch da setzt sich diese wahnhafte und kulturimperialistische Prüderie immer mehr durch. Aber auch da ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis Elon eines Morgens mit dem linken Fuß zuerst aufsteht.

    1. Auch wenn deine Frage sehr knapp formuliert ist, unternehme ich hier mal eine Deutung und beantworte sie: Die wahrhaftige Geschlechts-Identität der abgebildeten Personen spielt bei der Content Moderation der großen Plattformen eigentlich keine Rolle, sondern die interpretierte. Das ist freilich nicht immer eindeutig und wirft die Frage nach dem Sinn der Regeln selbst auf. Vorgeführt hat das z.B. der Instagram-Account „genderless nipples“ https://futurezone.at/digital-life/genderless-nipples-protest-gegen-instagrams-nippel-regel/235.307.042

  10. Ich frage mich generell, woher diese Besessenheit zur Zensur von Material mit auch nur ansatzweise vermuteter Nacktheit kommt.
    Menschen sehen nun mal aus, wie sie aussehen. Punkt.

    Ich kann ja noch verstehen, wenn soziale Netzwerke solches Material entfernen, wenn es öffentlich ist und Minderjährige zeigt.
    Aber auf Videoportalen wie v.a. Youtube und jetzt dann wohl auch Twitch wird ja schon ist es ja schon kritisch bzw wird schon zensiert, wenn man beispielsweise schon bloß eine weibliche Person im Bikini und männliche Person mit Oberkörper frei sieht.
    Wenn es dann zwischen den beiden noch zu völlig harmlosen Körperkontakt kommen würde – und sei es bloß eine Umarmung usw – , kann man schon fast sicher sein, dass das Video gesperrt wird.
    „Für einige Nutzer unangemessen“.

    Aber klar, warum soll man den Kindern und Jugendlichen solche Themen erklären und sich mit ihnen mal auseinandersetzen?
    So ist es ja viel einfacher

    1. Ich denke dass eine Reale Spirale besteht!

      1. Leute, deren Kinder den Scheiß nicht verstehen bzw. überkonsummieren, oder irgendwem so ins Gesicht reiben, dass es ein (lokales) Problem wird.
      2. Organisationen, bzw. Leute in Positionen, die sich dieser Sache Annehmen.
      3. Leute, die sich dieser Sache annehmen, und keine Lust an der Sache bzw. Interesse an tiefgründiger Aufarbeitung haben, oder einfach nur Opportunisten oder Karrieristen sind (Alles nicht das gleiche, daher aufpassen!).
      (4. Geringere (?) Zahl an tatsächlichen ideologisch motivierter unter 1.-3.)

      Plötzlich ist die Prüderielobby da, eine gewisse Menge „Befreiter“, eine ganze Menge stiller und noch überlegender, und die Schwierigkeit, dagegen eine sinnvolle Position und Mehrheit aufzustellen.
      (Grober Versuch einer einfachen Erklärung, eher mit USA im Sinn.)

  11. Die Frage ist, wo das herkommt, warum vor allem Frauen sich immer häufiger rechtfertigen müssen. Das internet wurde und wird weiterhin zu einer verstaubten konservativen Höhle ausgebaut und man muss hier an der Stelle offen und ehrlich sagen, welche Faktoren ausschlaggebend sind für diese negative Entwicklung im Internet, die mittlerweile auch Auswirkungen auf das echte Leben haben:

    1. Feministinnen und Feministen die sich selbst dem politischen linken Spektrum zuordnen, die aber Hand in Hand mit religiöser und konservativer Politik gehe und Forderungen bzgl. Frauen und wie Frau-sein auszusehen hat auf allen möglichen Plattformen im Internet Politik betreiben a la

    „Sowas machen Frauen nicht“
    „Frauen wollen sowas nicht“
    „Keine Frau würde das jemals tun“. Ein Bild im Bikini einer Frau als Werbeplakats „Frauen werden objektifiziert und sexualisiert“ wo letztens sinnbefreit nach Verboten gerufen wird Frauen freizügig in Werbung abzulichten 🤦🏼‍♀️. Es werden Begriffe verwendet die oftmals nicht passen, um das Drama in den Vordergrund zu stellen. Frauen müssen sich faktisch immer häufiger rechtfertigen und Verbote werden immer lauter. Gesetzlich wurde schon einiges eingeschränkt und könnte noch schlimmer werden. Gesellschaftlich ist der Druck größer geworden, spätestens seitdem Oversize (kennen die Millenials) nicht nur als Trend-Klamotten unter Genz wiederbelebt wurde, sondern vor allem GenZ ebenfalls eine treibende Kraft ist, weil die Klamotten von Frauen hauptsächlich getragen wurden gegen sexuelle Belästigung 🤦🏼‍♀️ … drei Videos weiter müssen Frauen dann beweisen dass sie selbst mit Oversize Pulli sexuell belästigt werden. Das hat seltsame Ausmaße angenommen Frauen+Kleidung

    2. So gut wie nichts ist über weibliche Verhaltensweisen bekannt und wenn, wird es gesellschaftlich und in Teilen wissenschaftlich von der Heterowelt „beäugt“. Das führt permanent zu falschen Schlüssen

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